Direktwerbung für Neukundengewinnung zulässig

Direktwerbung für Neukundengewinnung zulässig

(D) Briefwerbung ohne Einwilligung und ohne das Erfordernis einer Kundenbeziehung zulässig; Verarbeitung von personenbezogenen Daten zur Führung von Listen von Kunden, die von künftigen Werbesendungen ausgeschlossen werden sollen, wurde vom Gericht als rechtmäßig angesehen;

Das Landgericht Stuttgart hat in einem für die Datenschutzpraxis interessanten Urteil (Az. 17 O 807/21) zur Rechtmäßigkeit der personalisierten Briefwerbung Stellung genommen. [1]

Berechtigtes Interesse des Werbenden

Nach Ansicht des Gerichts war sowohl die postalische Werbung als auch die der Werbung zugrunde liegende Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers (der betroffenen Person) durch das berechtigte Interesse des Verantwortlichen gedeckt. Demgemäß ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, wenn der Verantwortliche oder ein Dritter ein berechtigtes Interesse an dieser hat. Im streitigen Fall konnte das beklagte Unternehmen hinreichend darlegen, dass der Verarbeitung der personenbezogenen Klägerdaten zum Zwecke der Briefwerbung ein berechtigtes Interesse der Beklagten („Verantwortlicher“) zugrunde lag. Den durchgeführten Direktwerbemaßnahmen lag ein wirtschaftliches Interesse an der Gewinnung neuer Kunden und der Pflege bestehender Kundenbeziehungen zugrunde.

Kein überwiegendes entgegenstehendes Interesse des Betroffenen

Im Übrigen konnte kein überwiegendes entgegenstehendes Interesse des Klägers, keine Werbung zu erhalten, festgestellt werden. Da vorliegend höchstens von einem gleichwertigen Interesse des Verantwortlichen bzw. des Dritten und des Betroffenen auszugehen sei, durfte die Werbung sowie die ihr zugrunde liegende Datenverarbeitung stattfinden.

In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die DSGVO im Erwägungsgrund 47 das wirtschaftliche Interesse an Direktwerbemaßnahmen ausdrücklich bejaht.

Neben den Voraussetzungen einer Datenverarbeitung auf Grundlage eines berechtigten Interesses nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO hat sich das Gericht mit Frage befasst, ob personenbezogene Daten zur datenschutzkonformen Umsetzung von Werbewidersprüchen in eine sog. Blacklist aufgenommen werden dürfen.

Direktwerbung auch bei Neukundengewinnung zulässig

Für die ins Felde geführte Ansicht des Klägers, die datenschutzrechtliche Zulässigkeit von postalischer Direktwerbung erfordere eine bereits bestehende Kundenbeziehung, gebe es laut Gericht auch keine Stütze im Gesetz, sodass auch Direktwerbemaßnahmen zum Zwecke der Neukundengewinnung zulässig sein können. Auch der Erwägungsgrund 47 differenziert im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Datenverarbeitung zum Zwecke der Direktwerbung nicht zwischen verschiedenen Empfängern.

Datenverarbeitung zur Umsetzung von Werbewidersprüchen zulässig

Nachdem der Kläger an seiner privaten Wohnanschrift postalische Werbung von der Beklagten erhalten hat, forderte er die Beklagte auf, sämtliche personenbezogenen Daten zu seiner Person zu löschen. Der Verantwortliche setzt die betroffene Person daraufhin auf eine sogen. Blacklist (Auflistung von Kunden, die von künftigen Werbesendungen ausgeschlossen werden sollen). Diese Vorgangsweise wurde vom Kläger als unrechtmäßige Umsetzung seines Löschbegehrens angesehen.

Das Gericht vertrat im Urteil eine andere Rechtsauffassung. Die Richter befanden die Übertragung der Klägerdaten auf eine sog. Blacklist für rechtmäßig, da eine solche Eintragung eine Verarbeitung personenbezogener Daten darstellt, die zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung (Hier: Der Umsetzung des Werbewiderspruchs) erforderlich ist. Letztlich lag auch unter diesen Gesichtspunkten keine Datenschutzverletzung des Klägers vor.

Anmerkungen

Die Entscheidung des LG ist unter mehreren Gesichtspunkten praxisrelevant. Zum einen stärkt sie die grundsätzliche Zulässigkeit von Briefwerbung unter der DSGVO, die 1) ohne Einwilligung und 2) ohne das Erfordernis einer Kundenbeziehung zulässig ist. Zum andern bestätigt das Gericht die vormalige Rechtsprechung des BGH (unter altem BDSG) zur Zulässigkeit der Datenverarbeitung für die Umsetzung eines Werbewiderspruchs. Auf dieser Grundlage dürfte also etwa eine Blacklist geführt werden.

Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Dokumentation sowie um Schadensersatzansprüche zu vermeiden, empfiehlt es sich in diesem Zusammenhang zudem, eine sogenannte Blacklist anzulegen, in der sämtliche Werbewidersprüche festgehalten werden.

Zu beachten bleibt, dass nicht jeder Fall der Direktwerbung über berechtigtes Interesse gerechtfertigt ist. Für elektronische Direktwerbung per eMail, Telefon oder Fax gilt in Österreich uneingeschränkt, dass diese – ohne Einwilligung – nur zulässig ist, wenn die kumulativen Voraussetzungen des §174 TKG 2021 (Unerbetene Nachrichten) erfüllt sind.


[1] Urteil zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrags nur bei BeckOnline kostenpflichtig abrufbar, BeckRS 2022, 4821, LG Stuttgart: Schadensersatzansprüche wegen Zusendung eines Werbeschreibens;