Mitarbeiter-Ortung per GPS rechtswidrig

In einem kürzlich veröffentlichten Spruch des Obersten Gerichtshofs hat dieser festgestellt, dass eine vom Arbeitgeber durchgeführte GPS-Ortung eines auch privat genutzten Dienstfahrzeuges ohne Betriebs- bzw Einzelvereinbarung rechtswidrig ist.

Rechtsspruch

Mit den ohne Abschluss einer nach § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG erforderlichen Betriebsvereinbarung bzw ohne Zustimmung des Arbeitnehmers nach § 10 AVRAG vom Arbeitgeber durchgeführten GPS-Ortungen des dem Arbeitnehmer auch für die private Nutzung zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeugs greift der Arbeitgeber rechtswidrig und schuldhaft in die Privatsphäre des Arbeitnehmers ein.

GPS-Ortung ohne Zustimmung des Mitarbeiters

Der Arbeitgeber hatte in den auch privat genutzten Dienstfahrzeugen seiner Vertriebsmitarbeiter – ohne Kenntnis der Mitarbeiter – ein GPS-Ortungssystem eingebaut.

Nachdem ein Mitarbeiter zufällig Kenntnis von der ständig erfolgten GPS-Überwachung erlangte, erklärte er gegenüber dem Vertriebsleiter, seinem direkten Vorgesetzten, dass er mit der durchgehenden GPS-Ortung, vor allem in der Freizeit, nicht einverstanden sei. Den mehrmaligen schriftlichen und mündlichen Aufforderungen des Aussendienstmitarbeiters, die Überwachung zumindest in der Freizeit zu unterlassen, kam der Arbeitgeber jedoch nicht nach.

Die GPS-Ortung brachte für den Verkäufer nach Ansicht des Gerichts erhebliche Unannehmlichkeiten. Oft wurde er von seinem Vorgesetzten angerufen und gefragt, warum er so spät von daheim weggefahren sei. Da der Mitarbeiter nicht wollte, dass sein Privatleben durch die GPS-Ortung des Dienstfahrzeugs kontrolliert und überwacht wurde, fuhr er auch nicht mit dem Dienstfahrzeug, sondern mit einem anderen Auto auf Urlaub.

Schadenersatz wegen Eingriff in die Privatsphäre

Der Mitarbeiter begehrte vom Unternehmen nach § 1328a ABGB einen ideellen Schadenersatz von 6.000 EUR (ca 1.000 EUR pro Monat). Durch die ständige rechtswidrige und schuldhafte GPS-Überwachung, auch in der Freizeit, habe das Unternehmen erheblich in seine Privatsphäre eingegriffen. Durch die ständige Überwachung sei er massiv unter psychischem Druck gestanden.

§ 1328a Abs 1 ABGB lautet:

Wer rechtswidrig und schuldhaft in die Privatsphäre eines Menschen eingreift oder Umstände aus der Privatsphäre eines Menschen offenbart oder verwertet, hat ihm den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Bei erheblichen Verletzungen der Privatsphäre, etwa wenn Umstände daraus in einer Weise verwertet werden, die geeignet ist, den Menschen in der Öffentlichkeit bloßzustellen, umfasst der Ersatzanspruch auch eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.

Das Erstgericht sprach dem Mitarbeiter unter Anwendung des § 273 ZPO einen immateriellen Schadenersatz von 2.400 EUR (400 EUR pro Monat) zu. Die Überwachung eines Dienstnehmers mittels eines GPS-Ortungssystems stelle eine betriebliche Kontrollmaßnahme dar, die auch nach der Rechtsprechung des EGMR die Menschenwürde berühre. Deren Einführung hätte gemäß § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG einer Betriebsvereinbarung bedurft. Eine solche liege jedoch nicht vor. Der Kläger habe dieser Maßnahme auch nicht iSd § 10 AVRAG zugestimmt. Da das Unternehmen daher rechtswidrig und schuldhaft in die Privatsphäre des Klägers eingegriffen habe, stehe dem Kläger gemäß § 1328a ABGB ein ideeller Schadenersatz zu.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ergänzte, dass schon die eindeutig gesetzwidrige Einführung des technischen Überwachungssystems die für die Zuerkennung eines ideellen Schadenersatzes nach § 1328a Abs 1 Satz 2 ABGB geforderte Erheblichkeitsschwelle überschritten habe.

Anmerkungen

  • Interessant ist, dass der Schadenersatzanspruch nach § 1328a ABGB verhandelt wurde. Hätte doch auch der § 33 DSG 2000 einen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz ermöglicht. Die DSGVO und das DSG waren nicht einschlägig, weil das rechtswidrige Vergehen vor dem Wirksamwerden der DSGVO erfolgte.
  • Der rechtlichen Beurteilung des OGH-Spruchs ist zu entnehmen, dass die grundsätzlichen Rechte des Arbeitgebers zur Kontrolle der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis und sein Eigentum zu sichern und zu schützen will, mit den Interessen des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte abzuwägen waren. Vielmehr stellet das Gericht fest, dass das vom Arbeitgeber vorgebrachte Interesse zum effizienten Fuhrparkmanagment und Ressourceneinsatz einen rechtswidrigen und vorsätzlichen (schuldhaften) Eingriff in die Privatsphäre des Klägers, nämlich in seinen höchstpersönlichen Lebensbereich, darstellte.
  • Spannend ist die Frage, wie über den Anspruch auf immateriellen Schadenersatz im konkreten Fall nach Art 82 DSGVO entschieden worden wäre. Grundsätzlich herrscht in der DSGVO ein weites Schadenverständnis und es ist mE davon auszugehen, dass auch nach der DSGVO bzw § 29 Abs 1 DSG ein immaterieller Schadenersatzanspruch entstanden wäre. Das OLG Innsbruck forderte in Hinblick auf einen Schadenersatzanspruch nach Art 82 Abs 1 DSGVO “ein Mindestmaß an persönlicher Beeinträchtigung für das Vorliegen eines immateriellen Schadens”. Aus Sicht des Autors war eine entsprechende persönliche Beeinträchtigung im konkreten Fall durch die Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle wohl durchaus gegeben.

Quellen